Ein Tag in Orange
Stadtreinigung - Jasmin Hantl








„Mahlzeit“ - „Mahlzeit“ - „Mahlzeit, Andree“ - „Hi“ - „Zebrastreifen“, „Zebrastreifen, damit die Leute hier über die Straße gehen“ - „Dankeschön“ - „Bitte, bitte“ - „Mahlzeit“




Hier wachsen keine Brombeeren. Hier ist jeder Zentimeter versiegelt und bis zum letzten Fleck einem Einsatzgebiet zugeteilt. Hier ist reger Verkehr in orange, blau, schwarz, weiß und bunt zu erleben. Alles wird bewegt, ist in Bewegung und wird sauber gemacht. Alles. Ich bin extrem begeistert, denn ich halte gerne Ordnung und mache auch wirklich sehr gerne sauber. Wenn Reinigungsarbeiten anfangen, bin ich meistens die erste, die das übernehmen will. Genau wie die Stadtreinigung.




„Wenn das keiner machen will, machen wir das. Und das funktioniert.“




Doch was bedeutet es, eine Stadt zu reinigen? Mit welchen Menschen, Maschinen und Materialien muss angerückt werden? Und welche Bewegungen sind notwendig?


„Nur mal so, eher so für euch. Wer sitzt hier? Also unten sitzt die Klimaschutzabteilung. Die haben wir neu gegründet vor einem Jahr. In der ersten Etage sitzt der gesamte zentrale Einkauf. Die besorgen alles, vom Bleistift bis zur Mülltonne, alles außer so Fahrzeuge. Und dann haben wir die Jurist:innen hier, auch eine ganze Etage, weil wenn du dich mit schweren Fahrzeugen im Verkehr bewegst, dann passieren Unfälle. Also alle Unfälle, in der Regel nicht mit Menschen, aber fährst du mit so einem dicken Ding durch Ottensen, dann kann das schon mal sein, dass das Parken des Fahrzeugs in der zweiten Reihe, das da der Spiegel abfällt. Oder die Leute bestellen Sperrmüllabfuhr, dann schleppst du so einen Riesenschrank irgendwie durch so ein enges Treppenhaus, kommst mal mit der Kante irgendwie an die Wand, schöner kleiner Riss drin, will der Grundeigentümer natürlich das gesamte Treppenhaus renovieren, auf Kosten der Stadtreinigung. Und da wir mit Gebührengeldern hantieren, sagen wir natürlich, nee, ist nicht, und dann brauchen wir Juristen. Also im zweiten hab ich vergessen, sitzen die Geschäftsführung und wir hier von der Pressestelle, und im vierten sitzt das zentrale Kontrolle, die irgendwie nichts anderes tun, als die ganzen Betriebsdaten sich zusammenzustellen und auf unterschiedlichste Weise zu betrachten, gucken, wo läuft's schief, wo haben wir irgendwelche Zielzahlen, die wir uns vorgenommen haben, noch nicht erreicht, wie können wir dagegen steuern. Und wenn wir dann hier weitergehen.“




Ich bin von Andree Möller, Pressesprecher der Stadtreinigung Hamburg, eingeladen worden, an einer Führung für neue Mitarbeitende teilzunehmen. Zusammen mit einer Auszubildenden und einer FSJlerin gehen wir über das Gelände.




„Richtig cool. Man hat ja hier die Chance, mal einen Tag in Orange zu machen und mal mit der Kolonne mitzufahren.“




„Ach cool.“




„Ja, das machst du dann wahrscheinlich auch, oder? Und es gibt verschiedene Bereiche, die man da reingehen kann, glaube ich.


„Und ein Tag in Orange ist das Motto?“




„Ja, genau, da bist du mit der Kolonne den ganzen Tag unterwegs. Also es startet um 6 Uhr und geht dann bis 14 Uhr.“




Wir sind fast 2 Stunden unterwegs. Zwischen den Maschinengeräuschen und spritzendem Wasser begegne ich freundlichen Gesichtern und werde neugierig begrüßt. Gerade um die Mittagszeit sind hier viele Menschen und Gruppen zu sehen. Vor dem Eingang zum Hauptgebäude finden Bauarbeiten statt.


„Also, große Aufregung hier, weil die jetzt hier einen Zebrastreifen darüber bauen.“




Das Fußvolk soll hier den Vortritt bekommen. Es ist eh interessant, wie die Stadtreinigung Schwerpunkte setzt, die Aufgabenbereiche trennt und erweitert und so einer gebauten Welt wie Hamburg entgegentritt. So gibt es die Müllabfuhr in Zweischichtsystemen, die die Tonnen leeren und durch die Straßen fahren und die Reinigung, die zu Fuß Mülleimer leert, Laub wegbläst und Menschenkacke aufsammelt.


„Wir haben hier einen Kollegen in Orange, der fährt immer mit so einem E-Fahrrad, so einem E-Lastenrad durch die Gegend. Also wir haben zehn E-Lastenräder, aber das nur so nebenbei. Einer davon ist halt er mit dem E-Lastenrad und der macht den ganzen Tag nichts anderes als Menschenkacke wegzumachen. Viel Drop-In. Und eben auch so rein ins Münzviertel und dann auch so bis hin nach St. Pauli. Und Jungfernstieg zum Beispiel morgens, ganz früh.“




„Und das ist ein Auftrag an ihn? Oder hat er das sich selber so vorgenommen?“




„Also man hat ihn gefragt, ob er sich das vorstellen könnte. Und er hat gesagt, ich probiere das mal. Und heute sagt er, ich möchte nichts anderes mehr machen.“


Hinter diesem Rolltor lagen 303 Tonnen Salz. Ein schöner weißer Berg ungereinigtes Kochsalz, welches in Kombi mit Sand nur auf ganz bestimmten Flächen gestreut werden darf. An der hofeigenen Tankstelle können die Fahrzeuge betankt werden. Wobei:




„2035 den Fuhrpark klimaneutral zu haben. Und das bedeutet, bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 10 Jahren, müssen wir eigentlich ab 2025 nur noch Elektrofahrzeuge oder Wasserstofffahrzeuge, Auf jeden Fall keine kraftstoffbetrieben mehr, kaufen. Deswegen sind wir immer so scharf auf diese ganzen Versuche. Und schreien immer sofort hier und fahren auch gerne mal mit diesen Prototypen rum.“




Die Vorbereitungen für den Winterdienst sind bereits in vollem Gange. Fahrzeuge mit ausgetüftelten Systemen werden derzeit gewartet, um für die ersten Testfahrten ab Mitte September startbereit zu sein.




„Dann müssen wir hier so ein paar Meter runterfahren. Wir müssen halt hier eben parken da oben. Und da wird es rein und gehen.“




Der Abfall, der auf dem Boden landet, wird per Hand oder maschinell auf und eingesammelt. Auffällig im Stadtbild sind jedenfalls die Mülleimer. Ich frage nach.


„Inszeniert wurde das 2004 von einer Agentur. Da haben wir gesagt, wir würden die gerne rot bestreichen. Also die waren nämlich vorher alle grauen in Hamburg, alle, sodass man sie möglichst nicht sehen konnte. Das war eine Voraussetzung der Politik, das wollten die unbedingt. Müll soll man nicht sehen, oder Behälter. Und wir haben immer gewollt, dass die irgendwie schön auffällig sind, damit man sie auch nutzt, damit man sie sieht. Und ich meine, du nutzt ja so ein Ding nicht, wenn du es nicht siehst. Und das wollten die immer nicht. Und dann gab es die einmalige Chance, weil endlich ein Umweltsenator gleichzeitig auch Stadtentwicklungssenator war. Und damit für das Stadtbild das Sagen hatte, aber auch für die Umwelt. Dann hat er gesagt, wenn wir den jetzt nicht überzeugen, haben wir verloren. Dann hat er gesagt, für ihn kein Problem. Mit Lackierung auf rot, wollen wir aber auch irgendwie noch mehr Aufmerksamkeit machen. Dann hat eine Agentur sich einfach ein paar Sprüche ausgedacht und wir haben dann weitergemacht. Oft kommen die auch aus Hamburg. Viele Touristen, die kommen dann und wollen entweder einen Aufkleber, als Mitbringsel, oder schicken wir denen auch, kein Problem, oder sie sagen, sie haben so viele schöne Sprüche, ich hab da auch noch eine.“




Die großen Berge und Haufen, an denen dann alles zusammenkommt, werden an anderer Stelle sichtbar und schaffen womöglich ein Bewusstsein für die Müllvermeidung. Denn die 12 Tonnen Müll, die so ein Niederflur-Fahrzeug schaffen kann, müssen abschließend analysiert, getrennt, verwertet und, so gut wie es eben möglich ist, recycelt werden. Durch den Wunsch nach Ordnung und Reinigung entstehen weitere Arbeitsplätze.




„Wir haben auch immer mehr Tätigkeiten. Jetzt haben wir zum Beispiel neu, plötzlich sollen wir auch Planten on Blomen reinigen. Braucht man wieder Reiniger. Und Reinigerinnen. Dann reinigen wir plötzlich die Verkehrsschilder. Also die Straßenschilder, die Straßennamen plus diese Einbahnstraße, Vorfahrtsstraße, diese ganzen Verkehrsstelle. "


Hm, Ja, tausend Dank. Und die Marmelade lasse ich einfach bei dem Empfang?




„Eine nehm ich. Und eine gebe ich der Martina.“